Seelenkitsch
Manchmal, wenn ich mit meinem bärtigen Bing spazieren gehe, fühle ich mich wie in einem kitschigen Heimatfilm.
Dann ertappe ich mich dabei, wie ich brennnesselgesäumte Trampelpfade entlanglaufe und nur die hübschen Blümchen mit den winzigen, blauen Blüten im Blick habe. Darüber freue ich mich dann und nehme die Brennnesseln gar nicht wahr. Selbst kurze Hosen trüben in solchen Momenten meine Freude kein bisschen.
Dann sehen wir Schäfchen und bleiben stehen, um zuzuschauen, wie das Lämmchen allein auf der Wiese steht und schreit, bis es von seiner Mama in den Verschlag gelotst wird, wo alle anderen Schafe stehen. Dann sehen wir glückliche Hühner, die auf großen Wiesen frei laufen dürfen. Auch denen schauen wir zu und freuen uns schon wieder. Dasselbe Spielchen wiederholt sich bei den Ziegen, bei den Pferdchen, bei den Kühen: stehen bleiben, beobachten, freuen. So schön ist es hier!!!
Wenn wir ganz früh morgens oder ganz spät abends spazieren gehen, dann mache ich mir manchmal Gedanken darüber, ob der Morgen oder der Abend besser riecht. Gestern bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich mich gar nicht entscheiden muss.
Ich mag es, wenn morgens die Welt noch den Vögeln gehört und nur weit entfernt die ersten menschlichen Geräusche zu hören sind. Dann ist die Luft noch kühl und frisch, manchmal feucht, wenn es in der Nacht geregnet hat. Ich werde langsam wach. Wir beide muckeln gemütlich durch den Wald und lassen den Tag auf uns zukommen.
Abends dann, wenn wir unsere letzte Gute-Nacht-Runde machen, laufe ich meist einen Weg entlang, von wo aus wir einen weiten Blick über's Tal haben. Dann bleiben wir stehen, hören wie die Welt schlafen geht, sehen Lichtchen, beleuchtete Burgen und Schlösser. Ab und an beobachten wir Fledermäuse, die nun die Vögel ablösen und Insekten jagen. Die Luft ist oft noch warm und manchmal überrascht uns eine Sternschnuppe.
Das alles zusammen genommen, macht einen großen Teil von meinem Glück aus. Kitsch als Seelenbalsam - sogar umsonst und jedem, der es wahrnehmen will, zugänglich!
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