Mittwoch, 20. November 2013
Schräglage
Noch immer befinde ich mich auf der Suche nach einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit. Im Büro, fast egal was, ziemlich wurscht, in welchem zeitlichen Umfang. Man wird ja bescheiden, wenn man nur lang genug arbeitslos ist. Mittlerweile sind es fast fünf Monate.

Immer wieder gibt es Momente, in denen ich nicht sicher bin, ob ich überreagiere oder ob es angemessen ist, von einem Stellenangebot Abstand zu nehmen.

Aktuell handelte es sich um einen Minijob in einer Anwaltskanzlei. Die Aufgabe war Diktate von Band schreiben und diese Korrespondenz verschicken. Kein Problem. Mach ich. Hauptsache irgendeine Beschäftigung. Ich hab ja einen Freibetrag von 167 € und darf nebenbei arbeiten. Für 12 Stunden pro Woche hätte ich 450 € erhalten. Fand ich o.k.

Dann kam die erste Forderung der Anwältin: Ich sollte letzten Freitag und diese Woche komplett Probearbeiten. Der Vertragsbeginn wäre der 01.12. gewesen. Für einen Minijob. Über eine Woche Probearbeiten. Es hat eine Weile gedauert, bis mir klar wurde, dass die Dame den Plan hatte, mich für lau einzuarbeiten, damit ich dann im Dezember, wenn sie mich bezahlen muss, schon alles kann.

Hilde kann manchmal ziemlich schafig sein. Ich bin trotzdem hingegangen. Die Arbeit war auch ganz nett. Meine Kollegin war sympathisch. Ich hab mir das noch zwei Mal angeschaut und durfte mir von Frau Anwältin nach dem dritten Tag sagen lassen, dass es nicht darum gehe, möglichst viel zu tippen sondern die Dinge auch mit ihr durchzusprechen und dann abschließend zu bearbeiten und zu versenden, damit ich lerne, wie das geht.

An dieser Stelle ist es wichtig zu wissen, dass es fast halb 1 war, vereinbart war eine tägliche "Probearbeitszeit" von halb 9 bis 12. Frau Anwältin war den ganzen Vormittag bei Gericht und kam erst um kurz nach 12 ins Büro.

Auch da war ich noch geduldig und habe gewagt diesen (für mich naheliegenden) Vorschlag zu machen: Das nächste Mal schreibe ich einfach nur zwei oder drei Sachen und die kann sie dann in Ruhe mit mir durchsprechen.

Und dann ging's los: Nein. Sie ist schließlich die Chefin. Sie bestimmt, wo es langgeht und wann und wie die Dinge in ihrem Büro erledigt werden. Außerdem gehen ihre Termine immer vor. Sie wisse genau, wem sie wieviel zumuten könne, schließlich habe sie ja mal ausgebildet.

Ich habe darauf verzichtet, sie darauf hinzuweisen, dass sie bis dahin kein einziges Mal so lange da war, dass sie mit mir die Sachen, die ich geschrieben habe, besprechen konnte. An den Tagen davor ist sie immer verschwunden, bevor ich gegangen bin.

Dann wollte Frau Anwältin mit mir die Mappe durchgehen, aber nun habe ich sie darauf hingewiesen, dass es fast halb 1 sei, ich nun leider fahren müsse, sonst wäre das für mich kein Problem etwas (noch) länger zu bleiben, jedoch hätte ich einen Arzttermin mit meinem Sohn und die Gesundheit von meinen Kindern gehe immer vor.

Das hat ihr nicht gepasst, aber sie hat meinen dezenten Hinweis wohl schon verstanden. Ihre Körpersprache hat mehr gesagt als ihr bewusst war.

Sie hat mich dann mit den Worten "Dann kommen Sie Donnerstag und Freitag nochmal wieder und dann sehen wir mal weiter" nach Hause fahren lassen.

Dieses "dann sehen wir mal weiter" hat den ganzen Nachmittag in meinem Hirn vor sich hingegärt. Ich habe noch mit meiner Schwester darüber gesprochen und mit der Ärztin nach dem Termin mit dem Prachtexemplar. Beide fanden das auch eher befremdlich bzw. hielten das für einen unglücklichen Start in ein Arbeitsverhältnis.

Zu Hause habe ich Frau Anwältin per E-mail abgesagt.

Abends war ich mit der unschlagbaren C. beim Poetry Slam und habe ihr voher noch die ganze Geschichte erzählt. Schon dabei stieg in meinem Bauch die Gewissheit auf, dass ich kein bißchen überreagiert sondern sehr gesund gehandelt habe.

Gut.

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