Arrangements und Mutationen
Drei Miezen, zwei Jungs, eine Frau über 40 in einem chaotischen und etwas beengten Haushalt müssen jeden Tag Wege finden, sich zu arrangieren.

An manchen Tagen wird die Überbevölkerung in meiner Wohnung bereichert durch andere Teenie-Dinger, andere Frauen über 40, Kumpels von Prachtexemplar Nr. 2, meinen Herzensmann. Ab und an sind Vertreter aller Gruppen gleichzeitig anwesend. Dann kann ich die Heizung ausmachen, weil es von alleine mollig warm wird.

Im täglichen Arrangieren bevorzugen vor allem meine Miezen einfache aber effektive Lösungen. Jeder Raum ist aktuell im Besitz einer Mieze. Innerhalb von begehrten Räumen hat jede Mieze ein eigenes Unterrevier. Selbst ich bin in Reviere eingeteilt. Madame Lilli beansprucht meinen Oberkörper, der schwarze Pelz bevorzugt ohnehin den Fußbereich und Katerli Piet darf sich in der Mitte aufhalten.

Wenn es zu Unstimmigkeiten kommt, dann werden diese auf der Stelle ohne falsches Getue geklärt. Einmal Fauchen, notfalls draufkloppen, der oder die Stärkere gewinnt. Fertig.
Beneidenswert das, nur leider nicht immer alltagstauglich oder allzeit übertragbar auf ein Leben in der menschlichen Zivilisation.

Ebenfalls beneidenswert ist die natürliche Begabung für das „Locker in den Bauch atmen“. Da wird nichts eingezogen, nichts kaschiert. Der Pelz wächst mit und wenn das Fett im Sommer wieder weniger wird, dann hängt's halt. Macht nichts, füllt sich im Herbst ja sowieso wieder. Nur beim Laufen ist die pendelnde Masse manchmal hinderlich. Aber auch hier gibt es eine einfache Lösung: entweder gar nicht erst laufen oder dem wabbeligen Bauchbeutel breitbeinig ausweichen.

Und nun bin ich schon beim Sein ohne Wie geht’s weiter angelangt. Ich glaube, die Katzen haben diese Daseinsform erfunden. Sie machen das von der ersten bis zur letzten Lebensminute. Sie kennen gar nichts anderes. Diese Theorie beantwortet auch meine Frage, ob Katzen sich eigentlich über nichts oder über unfassbar viel Gedanken machen, wenn Sie z.B. mit leerem Blick auf einem Schaffell stehen und das schnurrend durchkneten: keine Gedanken – einfach nur sein.

Ein Teil von mir verharrt ja derzeit ebenfalls in diesem Zustand und ich bin sehr fasziniert von dieser unendlichen Leere. Sie ist weder beängstigend noch lähmend. Sie kann überhaupt nicht bewertet werden. Sie ist einfach da.

Mutiere ich nun zu einer Katze? Bin ich bald ungeeignet für ein Leben in der menschlichen Zivilisation? Sollte ich mir einen Job als lebende Wärmflasche suchen? Damit verdienen meine Miezen schließlich auch ihr Futter und ihre Leckerlis.

Das wäre bestimmt auch eine Tätigkeit, bei der der Werwolf in mir kuschelweich und friedlich bleiben würde. Wie die Katzen bestimme natürlich ich die zu wärmende menschliche Unterlage sowie Zeitpunkt und Dauer. Ob das dem betreffenden Menschen dann gerade passt, ist mir vollkommen gleichgültig. Zeitungen walze ich einfach platt, volle Kaffeetassen, die gerade an den Mund geführt werden, eliminiere ich mit einem zielstrebigen Kopfkick. Nach dem Einnehmen einer für mich möglichst bequemen Position beginne ich meinen Job. Wenn die Unterlage brav stillhält, aufhört zu lesen und den Kaffee kalt werden lässt, dann bekommt sie als Dreingabe eine feine krallenunterstützte Knetmassage sowie einen Sabberfleck auf dem Pulli.

Ich werde mal bei meinem Herzensmann anfragen. Vielleicht springt ja ein unbefristetes Arbeitsverhältnis für mich heraus.

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