Fliehkraftexperimente im Camp Hilde
Gestern habe ich nach guter Hausfrauenart einen Einkaufszettel geschrieben. Nach meiner ganz eigenen Art ist er im Laufe des Tages unter einen Berg Wohnzimmertisch-Gemuckel gerutscht und da liegt er heute immer noch. Einkaufen war ich zwischenzeitlich trotzdem. Den Einkaufszettel werde ich mit ziemlicher Sicherheit in zwei bis drei Monaten wieder ausgraben und ordnungsgemäß dem Altpapier zuführen.

Mit diesem simplen Beispiel ist mein Stil in Sachen Haushalts- und Lebensführung grob umrissen. Gute Absichten, extreme Verwirrtheit gewürzt mit einer ordentlichen Prise Ökobewusstsein.

Besonders unter Zeitdruck erfülle ich meine Aufgaben sehr effektiv. Den Druck mache ich mir selbst. Lange vor einem Termin irre ich meist etwas ziellos in meiner Wohnung herum und weiß nichts mit der vielen Zeit, die mir noch zur Verfügung steht, anzufangen. Wenn diese dann aber immer knapper wird, komme ich so richtig in Schwung. Hier ist schließlich Improvisation angesagt und das liegt mir.

Ich weiß, dass das unnötig ist, aber was soll ich machen? So bin ich und daran wird sich voraussichtlich auch nichts mehr ändern. Ich bin nun einmal sehr nach meiner jugoslavischen Oma geraten und die hatte einen äußerst eigenwilligen Stil in Sachen Haushalts- und Lebensführung. Neben all den Langweileromas hat sie durch ihre Einzigartigkeit geglänzt und ich fühle mich geehrt, wenn ich ihr auf diese Art ein Denkmal setzen kann.

Durch die ausgeprägte Verwirrtheit erziele ich einen für Umstehende oft amüsanten Unterhaltungseffekt. So bin ich schon einigen faszinierenden physikalischen Phänomenen auf die Spur gekommen.

Wussten Sie, dass sich ein Paar Chucks bis zu einer Geschwindigkeit von 100 km/h ungefähr 3 km lang auf einem Autodach halten können? Ich hab es unwissentlich getestet (= UT) und bewiesen. Die freundlichen Verkehrsteilnehmer, die mich auf meine blinden Passagiere aufmerksam machen wollten, habe ich im Vorbeibrausen wutschnaubend beschimpft. Werwölfchen saß in dem Moment am Steuer. Na gut, nachdem ich dann später im Rückspiegel meine Chucks habe wegfliegen sehen, hat mir meine unwirsche Reaktion leid getan.

Falls sich noch jemand an die kleine Frau im quittegelben C-Kadett erinnert, die vor über 20 Jahren mit dieser ungewöhnlichen Fracht durch die Eifel gedüst ist: Ich war das. Im Nachhinein recht herzlichen Dank für Ihre freundlichen Bemühungen und entschuldigen Sie bitte mein unangebrachtes Verhalten.

Nicht ganz so lange her ist ein weiterer UT: Ein mit einem Berg Muffins bestückter Teller hält sich, wenn er rundherum in Frischhaltefolie eingewickelt ist, mindestens 2 km bei Tempo 30 auf dem Dach eines froschgrünen Mini-Vans. Bevor die Grenzen der Klebekraft zwischen Folie und Autodach überschritten wurden, habe ich bemerkt, dass in meinem mit Kindergeburtstagskram überladenen Auto etwas Essentielles fehlt. Kurz vor dem Befahren der Bundesstraße wurde das Experiment dank meines siebten Sinns unterbrochen.

Für meine Kinder ist die wirre Mutter etwas vollkommen Alltägliches. Sie sind durch solche Erlebnisse flexibel und ziemlich stressresistent. Wissen sie doch, dass man in jeder Situation noch einen guten Einfall haben kann, wodurch unerwünschte Entwicklungen in etwas Positives umgewandelt werden.

Camp Hilde trainiert mit abwechslungsreichen Überraschungen die Brut und wildert irgendwann zwei kreative Freigeister aus. Davon kann die Welt meiner Ansicht nach eine ganze Menge gebrauchen. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass sie das Erbe meiner Oma fortführen und sich - genau wie ich - eines erfüllten, quietschvergnügten Lebens voller UTs erfreuen.


simon_hinten_ohne am 20.Feb 12  |  Permalink
Ich kann mich daran erinnern, dass ich Dir von meinem Zimmerfenster aus wilde Zeichen gegeben habe, weil Du auch fast Deine Docs auf dem Autodach spazieren gefahren hättest (-:

Simon!
Die Zeichen müssen sehr wild gewesen sein. Anscheinend hab ich dich ja noch rechtzeitig gesehen und angehalten.
...bereits 482 x geplingploppt