Schubladenmenschen
Immer wieder stehe ich da und staune über Menschen, die sich in ihrer kleinen, überschaubaren Schublade verschanzen und alles, was anders ist, anfeinden.
Faszinierend, was es alles gibt.
Ich glaube, für diese Menschen bin ich der absolute Supergau: nicht in der Kirche, geschieden, zwei Kinder von zwei verschiedenen Männern, beide nicht getauft, drei Katzen, ein Hund, alleinerziehend seit fast 14 Jahren.
Dazu kommt, dass ich so ganz offensichtlich glücklich und zufrieden bin, tolle Kinder hab, die gute Noten schreiben. Bei uns wird kaum geschimpft, eher mal die Meinung gesagt. Ich muss meine Kinder nicht anbrüllen, damit sie sich benehmen.
Ich habe immer (bis auf kurze Episoden bei einer Zeitarbeitsfirma) gute Jobs mit o.k.-Gehältern und war in meinem ganzen über zwanzigjährigen Arbeitsleben insgesamt 3 Monate arbeitslos.
Meine Katzen gehen raus und kommen immer wieder. Mein Hund gehorcht. Alle arrangieren sich miteinander, jeder darf sein, wie er ist.
Ich bin weder einsam noch missgünstig anderen gegenüber.
Aber anscheinend reizt das so manchen Kleingeist. Igitti, wie kann die nur? Unverschämtheit.
Meine Religionslosigkeit bedeutet jedoch nicht, dass ich keinen Glauben habe. Ich habe einfach meinen eigenen. Tue ich damit jemandem weh? Nein.
Meine Kinder sind nicht getauft, weil ich mich nicht in der Lage sehe, ihnen eine Religion vorzuleben, die nicht meine ist. Beide waren in der Grundschule im evangelischen Religionsunterricht. Teenie-Ding hat im 5. Schuljahr weiterhin Religion gewählt, Prachtexemplar Nr. 2 hat sich für Ethik entschieden. Beide sind damit glücklich.
Geschieden und alleinerziehend: weder grundlos noch geplant, aber soll ich daran zerbrechen? Davon hat niemand was.
Zwei Kinder von zwei verschiedenen Männern: auch das nicht geplant, aber: Wo ist das Problem?
Meinen Miezen biete ich ein katzengerechtes Leben. Warum sollten sie ausziehen?
Mein Hund gehorcht, weil da richtig viel Arbeit hintersteckt. Wir trainieren jeden jeden jeden Tag und lassen uns von tollen Trainern ausbilden. Dieser Aufwand trägt natürlich Früchte.
Meinen Traumjob habe ich durch Zufall gefunden, weil ich mich nach der Trennung von Teenie-Dings Papa an der Uni exmatrikulieren musste. Am Anfang habe ich so wenig verdient, dass ich ergänzende Sozialhilfe erhalten habe. Aber ich wollte unbedingt genau diese Arbeit in dieser Firma machen und habe das als Investition gesehen. Ich war nur ein Quereinsteiger und habe deshalb eine nebenberufliche und anstrengende Zusatzausbildung im Fernstudium gemacht, damit ich einen Zettel hab, auf dem steht, dass ich das wirklich kann.
All das sehen die Schubladendenker nicht. Und was sie auch nicht sehen, ist die Tatsache, dass ich sie im Gegenzug nicht für ihre Lebensart verurteile: einer Religion angehören, verheiratet sein (glücklich?), Kinder nach Schubladenart erziehen, die Miezen in der Wohnung einsperren, obwohl sie raus wollen, den Hund nicht im Griff haben, ...
Ich nehme das nur wahr, bemitleide die Kinder, Hunde, Miezen und wunder mich. Manchmal mehr, manchmal weniger. Ab und zu ärger ich mich. Nämlich dann, wenn sie mich aus ihrer Schublade heraus für meine ganz eigene Art, mein Leben zu leben, anfeinden und nicht in Ruhe lassen. Auch das manchmal mehr, manchmal weniger.
veilchenpastille am 30. November 12
|
Permalink
|
0 Kommentare
|
kommentieren
...bereits 281 x geplingploppt