Geisterbahn
Heute hatte ich ein Nachmittagsprogramm, vor dem es mir schon seit längerem gruselt: Bewerbungsfotos machen.
Mit meiner Ausbildung - mal zumindest die, von der ich lebe - arbeite ich nunmal im Büro. Dummerweise hasse ich es, mich so zurechtzumachen, wie man es üblicherweise von Bürodamen erwartet.
Damit ich nicht sofort durch das Raster falle, verkleide ich mich immer und male mich an, wenn ich Fotos machen gehe. Manchmal schaffe ich es sogar vorher nochmal zum Friseur.
Heute war es also wieder so weit. Eigentlich hatte ich das schon vor Wochen hinter mich bringen wollen, aber der Leidensdruck war noch nicht groß genug. Nach dem letzten Knüller, den sich meine Chefin erlaubt hat, ist jetzt endgültig Feierabend. Heute habe ich meine Kündigung abgegeben. Ich habe zwar noch keine neue Stelle und keine Ahnung, wovon ich ab November leben soll, aber irgendwie wird es weitergehen. Eine Sperre vom Arbeitsamt ist mir damit sicher. Schließlich hat Arbeitnehmer ja nicht einfach so zu kündigen.
Ich habe mich die letzten 1 1/2 Jahr von meiner Chefin wie ihren persönlichen Fußabtreter und Schlechte-Laune-Zickigkeit-Blitzableiter behandeln lassen. Nu ist genug. Frauchen hat vom Mann einen Schubs gekriegt, weil er schließlich jeden Tag mitbekommt, wie es mir geht, wenn ich nach Hause komme und wie es mir geht, wenn ich morgens wieder ins Büro muss.
Der Chef ist eigentlich ein netter Kerl, stellt sich aber nicht schützend vor seine Angestellten. Meine Kollegen sind ausnahmslos in Ordnung. Die Arbeit selbst, naja, etwas langweilig, dafür leicht verdientes Geld.
Und trotzdem. Niemand darf so schlecht mit mir umgehen - auch wenn es nicht personenbezogen ist und alle so von ihr rundgemacht werden. Seit ich dort angefangen habe, habe ich 7 Leute kommen bzw. gehen sehen (bei insgesamt 13 Angestellten).
Nun gut. Heute war es also soweit. Chefin ist erst nächste Woche wieder da, weiß also noch nichts. Chef habe ich einfach gesagt, dass es so nicht mehr gehe, meine Kündigung jedoch nichts mit ihm zu tun habe.
Heute Nachmittag in die weiße Bluse für alle Fälle gezwängt, Farbe ins Gesicht gepatscht und nochmal die Haare einigermaßen durchgekämmt. Ab zum Fotografen, Augen zu und durch.
Netterweise wurde ich während der Wartezeit mit einem Prosecco bewirtet. Auf leeren Magen hat er schnell seine Wirkung entfaltet, leider durfte er nicht mit aufs Foto.
Jetzt habe ich drei schicke Bewerbungsfotos, auf denen ich zwar verkleidet bin, aber erst mal wie eine halbwegs gepflegte Bürotussi wirke.
Leicht angeschickert konnte ich sogar nett gucken.
Meiner Privat-Jury habe ich die Bilder geschickt mit Bitte um Abstimmung. Ich warte das Ergebnis ab und mache mich zwischenzeitlich schonmal auf den Weg Richtung Arbeitsmarkt.
wenn man dem arbeitsamt gleubhaft machen kann, dass es für die kündigung gute gründe gegeben hat, dann können die das durchaus akzeptieren - wenn sie wollen. sagt eine alte bekannte von mir, die dort arbeitet.
wenn innerhalb einer so kurzen zeit so viele leute einen betrieb verlassen, hat das ja immer gründe.
also: genau aufschreiben was passiert ist, nach möglichkeit auch wann, warum etc., kurze stichworte reichen. vielleicht spielen die bald-ex-kollegen ja mit und bestätigen ihre schilderungen?
zusätzlich machen sie sich auch sehr viel glaubhafter für das ams, wenn sie sofort und ohne umschweife beginnen, einen anderen job zu suchen.
als doku der arbeitssuche ist übrigens auch eine aufstellung annonce/telefonat am um uhr mit/nachgehakt am um uhr bei/ etc. glaubwürdig und zu akzeptieren. muss in diesem fall allerdings ausführlich genug sein einerseits, und nachvollziehbar andererseits, diverse persönliche notizen sind also empfehlenswert.
ich sitz ja nicht umsonst mit den verschiedensten leuten im schanigarten und höre andächtig zu. man weiss nie, was man wann wozu oder für wen brauchen kann.
ich halte mal die daumen.
Danke für die guten Tipps und die gedrückten Daumen :)).
Das mit den Notizen bzw. Dokumentation der Vorfälle ist eine gute Idee. Oh, das werden schöne Aufsätze.
Vielleicht hab ich ja Glück und komme damit bei der Arbeitsagentur durch.
Ich mach sowas ja nicht aus Jux und Dollerei sondern weil es einfach nicht mehr geht.
ich hab auch mal in so einer situation gesteckt, ist schon lange her aber sowas vergisst man nicht.
damals hab' ich mit genau solchen kurzen notizen das ams überzeugt. vor kurzem mit einer ams-mitarbeiterin gesprochen, irgendwie kam das thema "selber kündigen" auf, und da herrschten verschiedene meinungen am tisch. so kam es dann dass sie bestätigte, dass eine derartige argumentation immer noch glaubhaft und zu akzeptieren ist. schlimmstenfalls kann man natürlich auch mit der ak kommen, aber das ist an sich die weniger gute idee. ein besuch beim arzt (herr dokter, ich hab so schlafstörungen, und angst ins büro zu gehen, ...) führt zur entsprechenden medikation. muss man ja nicht schlucken. diagnose kann man aber verwenden.
und: immer gerne, solche tipps. sie wissen ja: wenn wir nicht neidig sind, haben alle was davon. in diesem sinne ...
Beweise gibt es genug, Schlafstörungen habe ich sowieso und sonntags schon Bauchweh, wenn ich weiß, dass sie montags im Büro ist. Ich will am liebsten gar kein Arbeitslosengeld benötigen und gleich im Anschluss eine Stelle finden, aber mit Mitte 40 ist das nicht ganz so leicht. Ich bin zu teuer und manchen schon zu alt ...
Nach unserem gestrigen Zusammenstoß habe ich die Zusicherung von Zeugen, dass sie für mich aussagen, falls es zu einer Sperre kommen sollte.
Was bei mir "alles falsch" (war nicht falsch, nur nicht so, wie Madame es sich vorgestellt hatte - natürlich ohne das vorher zu äußern) ist, ist im selben Zusammenhang bei anderen "normal, dass da am Anfang noch Fragen und Änderungen kommen" (sinngemäß).
Alle sind gleich, nur manche sind gleicher. In diesem Sinne ... :))
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