Es ist angerichtet
Wahrhaft abenteuerliche Abenteuer (er-)leben wir in Camp Hilde.
Heute Morgen kam ich um 10 nach 7 aus meinem Zimmer getaumelt, um meinen Kindern mitteilen, dass ich mal wieder verschlafen habe. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass es keinen Kaffee zum Wachwerden gibt. Stattdessen wurde ich durch einen verdächtigen Tumult im Flur schlagartig munter.
Piet und Bing waren total aufgeregt, gemeinsam eine Maus am jagen. Der Kater hing mit dem kompletten Oberkörper im Schuhregal, vom Hund hat nur der Kopf reingepasst, ich (die Frau über 40 in Schlöbber, Schlaftop, mit Knitterfalten und baumelnden Möpsen) hab Regal, Schuhe, Hund und Katze beiseite geschafft, um die Maus zu retten. Wobei Hund und Kater im Jagdfieber immer wieder nachgerückt sind. Das alles kommentiert von Prachtexemplar Nr. 2; Teenie-Ding stand daneben und hat die sensationelle Botschaft per SMS (hoffentlich ohne Foto) an seine Kumpels oder wen auch immer verschickt.
Danach waren wir alle wach - ich sogar ohne Kaffee. Die Maus durfte sich noch ein bisschen im Messbecher erholen, bevor sie von Prachtexemplar Nr. 2 rausgesetzt wurde. Hund und Kater waren beide immer noch eifrig mit der Suche nach dem Mäuschen beschäftigt - mein Jagderfolg war den beiden im Eifer des Gefechts entgangen. Und dann komme ich in die Küche und sehe etwas Großes, weit entfernt von Trockenfutterformat, im Futterschälchen von den Miezen liegen:
Tagesmenü:
Frische Maus - aus Freilandhaltung, halbiert und mit Pelz - von Küchenmeister Piet angerichtet auf Ikea-Silbernapf im Krönchendesign.
Da soll mal einer behaupten, Katzen hätten keinen Stil.
Und jetzt bekomme ich endlich meinen dringend erforderlichen Koffeinkick.
...bereits 746 x geplingploppt
Zu spät
Als ich im 10. Schuljahr war, durften wir „Großen“ während der Pausen im Klassenraum bleiben und mit unserem Kassettenrecorder Musik hören. Damals gehörten „Zu spät“ und „Du willst mich küssen“ von den Ärzten zu unseren Klassenhymnen. Wie das so ist, wenn man in der tiefsten Provinz lebt, sind in dem Alter die Konzerte jeglicher Bands unerreichbar, zumal ohne Führerschein und großzügige Eltern, die einen vielleicht hinfahren. Eltern, die mitgehen, wären damals undenkbar gewesen.
ABER!!!! Zu meinem letzten Geburtstag habe ich eine Ärzte-Konzert-Karte geschenkt bekommen, Herzensmann auch und Teenie-Ding auch. So kam es also, dass gestern die Frau über 40 nebst Anhang in den Genuss eines Ärzte-Konzerts kam. Auf einem alterskompatiblen numerierten Sitzplatz mit guter Sicht auf Bela B (sabber) und Sicherheitsabstand zum Gepoge vor der Bühne. Schön war das! Und in keinem Fall zu spät.
Das Publikum war altersmäßig sehr gemischt und ich war nicht die Älteste. Es gab sicher auch Frauen und Männer über 50, die sich das Vergnügen gegönnt haben. Viele mit den dazugehörigen Teenie-Dingern und Prachtexemplaren.
Zu spät war es allerdings für meine sauteuren, heißgeliebten Leder-Keilsandaletten. Mit denen hat sich nämlich während unserer Abwesenheit der Bärtige vergnügt. Das Leder ist zwar noch zu gebrauchen, aber die Absätze wurden im Fersenbereich fein säuberlich abgenagt. Die hatte ich gestern tagsüber an, so dass da mein tröstlicher Fußmief anscheinend am stärksten war. Zum Glück für Bing war ich einfach zu müde, um mich darüber aufzuregen. Damit war der gestrige Abend in zweifacher Hinsicht echter Luxus.
...bereits 408 x geplingploppt
Seelenkitsch
Manchmal, wenn ich mit meinem bärtigen Bing spazieren gehe, fühle ich mich wie in einem kitschigen Heimatfilm.
Dann ertappe ich mich dabei, wie ich brennnesselgesäumte Trampelpfade entlanglaufe und nur die hübschen Blümchen mit den winzigen, blauen Blüten im Blick habe. Darüber freue ich mich dann und nehme die Brennnesseln gar nicht wahr. Selbst kurze Hosen trüben in solchen Momenten meine Freude kein bisschen.
Dann sehen wir Schäfchen und bleiben stehen, um zuzuschauen, wie das Lämmchen allein auf der Wiese steht und schreit, bis es von seiner Mama in den Verschlag gelotst wird, wo alle anderen Schafe stehen. Dann sehen wir glückliche Hühner, die auf großen Wiesen frei laufen dürfen. Auch denen schauen wir zu und freuen uns schon wieder. Dasselbe Spielchen wiederholt sich bei den Ziegen, bei den Pferdchen, bei den Kühen: stehen bleiben, beobachten, freuen. So schön ist es hier!!!
Wenn wir ganz früh morgens oder ganz spät abends spazieren gehen, dann mache ich mir manchmal Gedanken darüber, ob der Morgen oder der Abend besser riecht. Gestern bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich mich gar nicht entscheiden muss.
Ich mag es, wenn morgens die Welt noch den Vögeln gehört und nur weit entfernt die ersten menschlichen Geräusche zu hören sind. Dann ist die Luft noch kühl und frisch, manchmal feucht, wenn es in der Nacht geregnet hat. Ich werde langsam wach. Wir beide muckeln gemütlich durch den Wald und lassen den Tag auf uns zukommen.
Abends dann, wenn wir unsere letzte Gute-Nacht-Runde machen, laufe ich meist einen Weg entlang, von wo aus wir einen weiten Blick über's Tal haben. Dann bleiben wir stehen, hören wie die Welt schlafen geht, sehen Lichtchen, beleuchtete Burgen und Schlösser. Ab und an beobachten wir Fledermäuse, die nun die Vögel ablösen und Insekten jagen. Die Luft ist oft noch warm und manchmal überrascht uns eine Sternschnuppe.
Das alles zusammen genommen, macht einen großen Teil von meinem Glück aus. Kitsch als Seelenbalsam - sogar umsonst und jedem, der es wahrnehmen will, zugänglich!
...bereits 421 x geplingploppt