Wanderwoman
Seit 1. Juli gehe ich nur noch 28 Stunden pro Woche als Tippse arbeiten. Bis dahin habe ich für einige Monate versucht, meine Arbeitskraft auf zwei Firmen in zwei verschiedenen Orten, beide jeweils ca. 20 km in unterschiedlichen Richtungen von meinem Wohnort entfernt, zu verteilen.
Und so gerne ich auch beide Arbeiten mache, ich musste meine geliebte Immobilienverwaltertätigkeit, also den Minijob, aufgeben.
Meine Finanzen werden dadurch zwar nachhaltig geschädigt, dafür bleibe ich aber gesund. Nachdem ich vor Jahren aus Erschöpfung zusammengeklappt bin, musste ich 4 Monate lang in einer Klinik lernen, wo meine Grenzen sind und ich glaube, der Lernerfolg hat sich jetzt gezeigt.
Unabhängig davon wollte ich natürlich auch mehr Mama sein. Ich habe meine Jungs vermisst und hatte den Gedanken, dass wir dann mehr zusammen tun können.
Nicht bedacht habe ich, dass die beiden mittlerweile 16 und fast 12 Jahre alt sind und ihre Freizeit weitestgehend ohne Mutti gestalten.
Ich darf nur noch mitmachen, wenn meine Fahrdienste gebraucht werden, also fast täglich mehrmals. Ich habe nun zwar mehr Zeit und Gesundheit, dafür weniger Geld, höhere Spritkosten und bin mehr als je zuvor in Sachen Kindertransport unterwegs. Strecken, die die beiden bisher locker ohne meine Hilfe bewältigt haben, werden plötzlich zu unüberwindbaren Hürden. Busfahrpläne lesen geht auch nicht mehr. Die meinen Kindern - oft gezwungenermaßen - anerzogene Selbständigkeit löst sich gerade in Luft auf und wird ersetzt durch schwerfällige Bequemlichkeit.
Nicht mit mir!
Ich werde die Regeln in unserem Camp dahingehend ändern, dass Fahrdienste nur noch geleistet werden, wenn - ohne meine Aufforderung (das ist dann der Luxus daran) - gut erkennbare Gegenleistungen, wie Spülmaschine ein- und ausräumen, saugen, wischen, Müll rausbringen erbracht werden.
Bis diese Regelung sich in den Köpfen der Pubertätsbomben festgesetzt hat, bleiben wir einfach zuversichtlich und singen mit Vicky:
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Befreiungsalphabet
A wie Applaus
klatsche ich unserer Hausverwaltung für die Kündigung unserer boshaften Mobbing-Nachbarn
B wie Befreiungsschlag
Heute in zwei Wochen ist Tag 1 nach Auszug
C wie Chance
Die Chance auf eine hübsche große Wohnung mit umgänglichen, tier- und kinderfreundlichen Nachbarinnen bekommt hoffentlich jemand, der auch so ist
D wie Durchhalten
Wir befinden uns im Endspurt und jetzt merke ich erst wirklich, wie extrem mich das Verhalten dieser Gruselmenschen belastet hat
E wie Empathie
Geht den Mobbing-Nachbarn komplett ab
F wie Frieden
Bald!
G wie Gemeinschaft
Meine anderen beiden Nachbarinnen und ich können es uns bald schön machen!
H wie Hip Hip Hurra!!!!
Wenn die letzte Möbelfuhre raus ist und wir den Umzugswagen von hinten sehen, werden wir auf der Straße tanzen
I wie Intoleranz
brauchen wir nicht, zieht mit dem Bösen mit
J wie Jippieeehhhh
siehe H
K wie Katze
Bald trauen sich hoffentlich auch unsere Katzen wieder nach Hause
L wie Leben
und leben lassen
Das ist hier bald möglich.
M wie Mietminderung
Ab August zahle ich wieder meine volle Miete und das sooooo gerne!
N wie Nachbarinnen
Wir sind dann hier bis zum Einzug der neuen Nachbarn das 3 Mäderl-Haus
O wie Optimismus
Ist mir in den letzten Monaten bezogen auf das Böse in unserem Haus manchmal fast verloren gegangen
P wie Parkbank
Stellen wir uns hier in zwei Wochen auf, damit wir gemütlich draußen zusammen sitzen können
S wie Schaukel
Können die Nachbarn mit kleinen Kindern auch endlich draußen aufhängen
T wie Traum
Wird für uns und alle, die hier schon vor uns gelitten haben, wahr
U wie Unglaublich
was diese beiden Monster sich schon alles erlaubt haben
V wie Verfolgungswahn
Hört bald auf, weil das Böse dann woanders sein Unwesen treibt
W wie Warum?
Werden wir nie erfahren (wollen)
X wie XXX
Unsere älteste Nachbarin hat heute gesagt, dass sie drei Kreuze schlägt, wenn das Böse ausgezogen ist
Y wie Yeah
siehe H und J
Z wie Zieht von dannen
und kommt nie wieder zurück
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Höre nie auf anzufangen
Gestern waren wir auf der Schulabschlussfeier von Teenie-Ding.
Wie in unserem Camp üblich war diese Unternehmung geprägt von Teenie-Dings in den Bart genuschelten Ein-Wort-Satz-Informationen, die auf den letzten Drücker rüberkamen.
So habe ich erst am Sonntag Abend kurz vor dem Schlafen gehen erfahren, dass diese Feier am Mittwoch sein soll. Zufällig habe ich in den zwei Tagen danach herausbekommen, dass die Veranstaltung nicht in der Schule sondern in der Stadthalle ist und nur drei Personen pro Schüler mitkommen dürfen. Die anderen beiden Begleitpersonen, Papa und Oma, haben noch später erfahren, dass sie die Ehre haben, dem Spektakel beizuwohnen.
Dienstags sind wir dann noch was Schickes einkaufen gegangen. Wie für meinen kleinen eitlen Gockel üblich hatte er sich akribisch darauf vorbereitet. Bei H&M hat er mir Fotos von lässigen Typen gezeigt, die er sich im Internet vorher angeschaut hatte. Alle hatten weiße Hemden mit Westen, Jeans und Dreitagbart. Das Hemd mit der Weste und Jeans war machbar, für den Dreitagebart reicht es bei Teenie-Ding noch nicht. Trotzdem war ich entzückt von der Wahl und Optik meines Kindes.
Die Abschlussfeier an sich war wirklich schön und ich finde, jeder Schulabschluss sollte so gefeiert und gewürdigt werden. Bei uns war das nicht so. Wir haben damals einfach am letzten Tag das Zeugnis in die Hand gedrückt bekommen und das war's.
Auch scheint das Verhältnis Lehrer - Schüler, mal zumindest an dieser Schule, viel lockerer zu sein als es früher üblich war. Die Schüler und Lehrer haben sich in ihren Abschiedsreden und -Liedern gegenseitig auf die Schippe genommen. Die Lehrer wurden liebevoll als Mutti und Papi bzw. Onkel und Tante bezeichnet und reich beschenkt. Für die Schüler hatten die Klassenlehrer wiederum ein selbstgedichtetes Abschlusslied auf die Atemlos-Melodie von Helene Fischer vorgetragen.
Ich habe es geschafft, während der ganzen Veranstaltung nur ein paar Tränchen rauszulassen. Ansonsten habe ich mich zusammen mit Teenie-Dings Papa leise vor mich hingefreut. Man ist ja schon stolz, wenn man sein gut geratenes, tolles Kind auf dieser Bühne stehen sieht.
Teenie-Dings Papa und ich haben es zwar nicht geschafft, ein Paar zu bleiben, aber wir sind beide gleichermaßen verliebt in unseren Sohn. Wir haben uns natürlich ebenfalls gegenseitig ein bißchen aufgezogen und waren uns einig, dass das planlose Verhalten von diesem Kind eindeutig von mir vererbt wurde, die Wortkargheit dagegen ein Mitgebsel von seinem Vater ist.
Teenie-Ding hat das Ganze dann kommentiert mit: Wieso, ich weiß immer genau was ich will, ich erzähl das nur nicht.
Na, wenn das mal kein super Plan für das weitere Leben ist.
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